war der Tag, an dem alles anders wurde. Die Nacht vom 9. auf den 10. März 2020 werde ich nie vergessen. Montagabend, Konzert, eine schöne Musiknacht mit Freunden und Kollegen bei lauem Frühlingswetter, alle hatten Spaß. Bis zu diesem seltsamen Anruf, irgendwann nach Mitternacht. Darin ging es um »Reisesperre« und »Quarantäne«, »Lockdown« und »Auftrittsverbot«. Abstrakte Wörter, die gar nicht zur Musik, zum Rotwein und dem fröhlichen Vibe passen wollten. Dennoch, wir spürten, dass da was kommt. Was Größeres, Unbekanntes. Die Kollegen aus Übersee buchten sofort ihre Heimflüge in die jeweiligen Heimatländer. Gerade noch rechtzeitig, wie sich herausstellen sollte.
Am nächsten Morgen bin ich in einem Hieronymus Bosch Gemälde aufgewacht. Nicht nur dass sich praktisch von einem Augenblick auf den nächsten die komplette Musik-, Kunst- und Bühnenkultur in Nichts aufgelöst hat. Auch unsere Alltagsstruktur, in der Menschen sich doch größtenteils friedlich und freiheitsliebend gaben, ist zerfallen. Einfach so.
In der Nacht vom 9. auf den 10. März wurde die Vernichtung unserer Kultur beschlossen, wie wir sie kennen. Musik, Bildung, Kunst, Theater, jegliche Bühnendarbietungen, Restaurants und Hotellerie, Business, Reisen, Freizügigkeit, freie Rede und freies Denken, das Recht auf Selbstversorgung, freie Berufsausübung, körperliche und geistige Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Unverletzlichkeit der Wohnung, Unantastbarkeit der Menschenwürde, Versammlungsfreiheit, Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum – weg. Als hätte es nie existiert. Nicht wie im Krieg mit Bomben, nein, viel perfider: freiwillig. Durch extrem effektive Manipulations- und Desinformationsmechaniken brachte man die Bevölkerung dazu, sich das alles selbst anzutun und auch noch gut zu finden. Sich die Bomben beim Täter abzuholen, mit nach Hause zu nehmen und den Zünder eigenhändig zu betätigen. In suizidaler Unterwürfigkeit gaben die Menschen alles auf, was bisher ihr Leben erfüllt hat. Inklusive sich selbst.
Was Rheingold mit unserer Freiheit zu tun hat
1948 wurde hier in meiner Nachbarschaft auf dem Jagdschloss Niederwald ein gewichtiges Werk auf den Weg gebracht: das Grundgesetz. Der wunderschöne Ort mitten im Wald, auf gold- und quarzglitzerndem Boden hoch über dem Rhein hatte offenbar inspirierende Wirkung, jedenfalls kam bei den historischen Niederwaldkonferenzen viel Brauchbares heraus. Die meisten Gedanken und Beschlüsse wurden später in das Grundgesetz übernommen, das wir heute als Verfassung kennen. So heißt es zum Beispiel nach der Bezugnahme von Artikel 20 Absatz 1 bis 3 auf die Ordnung der parlamentarischen Demokratie, des sozialen und föderalen Rechtsstaates in Artikel 20 Absatz 4: »Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.« Dieser Widerstandsartikel ermächtigt ausdrücklich die Menschen der BRD, sich gegen korrupte Politiker und größenwahnsinnige Möchtegern-Diktatoren, die unsere per Grundgesetz verbrieften Rechte beschädigen, mit gebotenen Mitteln zu erwehren. Es handelt sich quasi um ein Pendant der Notstandsgesetze, welche umgekehrt dem Staat in Krisensituationen eine erweiterte Handlungsfähigkeit ermöglichen. Mit dem Artikel 20 und insbesondere Absatz 4 wird den Bürgern dieselbe Handlungsfähigkeit eingeräumt. Gegen JEDEN. Auch und insbesondere gegen Berufspolitiker, welche durch ihr Handeln der Bevölkerung mittelbar oder unmittelbar großen Schaden zufügen. Ein wichtiges, wertvolles Recht, das aber bislang nicht mal ansatzweise in Anspruch genommen wird. Und hier sind wir beim eigentlichen Problem.
Unterwürfigkeit als Lifestyle
Der große Bruch mit vielen Errungenschaften unserer Gesellschaft ist erst vier Monate her. Und schon benehmen sich die Deutschen, als hätte es nie ein freieres, aufstrebendes, modernes, innovatives, kulturell hochstehendes Land gegeben. Sie saugen die Propaganda aus dem Fernseher wie Manna, irrlichtern mit Masken und Gummihandschuhen durch die Welt, in panischer Angst vor dem Leben, meiden ihre Angehörigen, Freunde und Kollegen, brechen soziale Kontakte ab. Ruinieren und schließen ihre eigenen KMU, arrangieren sich mit der Arbeitslosigkeit, mit Berufs- und Auftrittsverboten, mit Verarmung, Enteignung, Ausgangssperren und Reiseverboten – meine Güte! Hallo, noch jemand wach hier?
Nicht mal in der DDR waren die Menschen so devot! Dort gab es immer wieder mutige Seelen und Rebellen, die das totalitäre System des Sozialismus‘ nicht mehr aushalten konnten und für die Flucht in den Westen ihr Leben riskierten. Nicht viele, aber es gab sie. Nicht so in der BRD. Nein, hier mag man offenbar das Gefühl des Gegängeltwerdens, zieht den nach innen gerichteten Stacheldrahtzaun eigenhändig ums Haus, legt sich selbst die Fußfessel an und konzentriert sich darauf, etwaige Querulanten aufzuspüren und zu denunzieren. Schauderhaft. Auch die Massenmedien erfreuen sich rasant steigender Quoten. Was wurde eigentlich aus »nee, ich schau schon ewig kein Fernsehen mehr, ich informiere mich lieber aus Primärquellen?« Und warum findet es keiner irgendwie bemerkenswert, dass das, was hier grade passiert, in 188 Ländern der Erde in nahezu identischer Weise stattfindet?
Das Jahr 2020
könnte in die Weltgeschichte eingehen. Nicht nur wegen rund 80.000 allein in Deutschland abgesagten Konzerten, Messen und Festen und der damit verlorenen Lebensqualität. Nicht nur wegen der geschätzten Milliardenverluste, die aktuell noch gar nicht final bezifferbar sind. Nicht nur wegen der leider schamhaft totgeschwiegenen (!) Suizidwelle unter Künstlern, Musikern, Politikern und anderen Bühnenarbeitern. Nicht nur wegen der vielen Kilometer rotweißem Flatterband, mit dem selbsternannte Amateurpolizisten im Auftrag größenwahnsinniger Lokalpolitiker in die freie Natur einfallen und Wiesen, Wege, Strände, Flussufer, Seen und Naturparks absperren. (Plastikmüll jetzt plötzlich wieder okay, ja?)
Nein, es könnte in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem bewiesen wurde, dass man weder Militär noch Bomben benötigt, um geistig und logistisch hoch entwickelte, strebsame produktive Kulturen »downzusizen«, von Grund auf umzubauen oder einfach aufzulösen. Man muss den Menschen nur ein quasi-religiöses Motiv vorsetzen, das furchteinflößend und autoritär genug daherkommt. Es dauerte eine Nacht und ein paar Tage.
Endgame – das Leben gewinnt. Immer.
Ja, ich weiß, es sieht im Moment nicht gut aus. Die lebens- und liebesfeindlichen Spielchen überall auf der Welt wirken unglaublich dominant, übermächtig, wuchtig in ihrer Zerstörungskraft. Das liegt aber nicht an den Spielchen. Sondern daran, dass Millionen Untertanen willig mitspielen und die Inszenierung mit Macht und Wirkungskraft versorgen. Deshalb funktioniert diese Groteske. Noch. Aber wisst ihr was? Das Leben gewinnt immer. Ja, man kann an den faulen Zauber glauben, an »Anweisungen«, an »Nachrichten« und an das ganze künstliche Schattenwerk an den Wänden der Plato’schen Höhle. Ist bequem, gemütlich, man wird imaginär rundumversorgt, bis in den letzten privaten Gedankengang hinein. Aber.
Was für viele im Moment ein Plus darstellt, sehe ich als derbes Minus. Weshalb ich diesen Lifestyle nicht praktiziere. Er macht nicht nur träge, passiv, depressiv und unkreativ, er befreit auch von der Pflicht, sich seiner eigenen Wahrnehmung zu bedienen und sich eigene Gedanken zu machen. Sich selbst zu beobachten, die zerfallenden Strukturen zu beobachten und genau hinzuschauen, was dahinter zum Vorschein kommt. Genau das ist es, was mich antreibt. In meiner Arbeit, als Mensch, als lebendige Seele. Die Klarheit, aus der die Inspiration, originäre Kreativität und künstlerische Wahrhaftigkeit entstehen.
Und hier sehe ich bei allem Irrsinn eine große Chance. Anders als bei Kriegen, in denen Menschen sich gegenseitig unfassbares Leid zufügten und ihre Lebensgrundlage bis ins kleinste Fragment vernichteten, sind wir jetzt in einer vergleichsweise kommoden Situation: Wir haben genug zu Trinken und zu Essen, ein Dach über dem Kopf, intakte Versorgungs- und Kommunikationsnetze. Wir leben in dem Luxus, das Zerfallen einer lange für selbstverständlich genommenen Wirklichkeit beobachten zu können, ohne dass wir selbst dabei kaputtgehen. Das gab es meines Wissens noch nie. Wir können die Kulissen bröckeln sehen, ohne dass wir uns selbst dabei völlig verlieren. Wir haben die Chance zu sehen, worin sich die Wirklichkeit von der Realität unterscheidet. Was ist echt? Was war nie echt? Was ist lebendig? Was ist künstlich? Und wer sind wir?
Wer sind wir?
Nein, keine Antworten. Keine Prognosen. Woher soll ich die auch nehmen? Wer im Moment behauptet, welche zu haben, der lügt. Auch keine Pläne. Wie soll man denn etwas planen, wenn sich alle paar Stunden die Kulissen verändern? Kannste knicken. Aber wir sind dennoch nicht hilflos. Wir können LEBEN.
Dazu hätte ich einen klitzekleinen Vorschlag: Hört auf, euch anzufeinden mit »rechts gegen links« Diskussionen, »Maskenzombies gegen Aluhut«, »Klimaretter gegen Klimaleugner«, »Schwarz gegen Weiß«, »SUV gegen Fahrrad« oder »Veganer gegen Allesesser«… Das ist alles künstliche lebensferne Scheiße, ohne Inhalt. Es entwickelt sich auch weder organisch noch zufällig, sondern wird von Agenturen gesteuert, bei denen dieser Geschäftsbereich »Empörungs- und Stimmungsmanagement« heißt. Ein teuflisches Konzept. Es wurde ausschließlich dazu erfunden, um uns aufeinanderzuhetzen, damit wir uns gegenseitig schwächen und zerfleischen. Statt uns zusammenzutun und mal hinzuschauen, wer davon profitiert… Hört bitte auf mit dem Mist. Das wäre mir ein echtes Anliegen.
Wisst ihr noch, wie es ohne diese vielen künstlich gebauten Nebenkriegsschauplätze war? Ohne diesen Hass, den Geifer, den Neid, das Geschrei? Lasst uns dieses Gefühl zurückholen. Umarmt euch. Geht raus, pflegt eure privaten Beziehungen. Schweigt euch nicht an. Isolation ist giftig und zerstörerisch. Vernetzt euch. Liebt euch. Zeigt euch einander. Ohne Maske (Kalauer beabsichtigt.) Schreibt euch Mails, wenn ihr nicht schlafen könnt. Benutzt das Telefon, trefft euch und redet miteinander. Erzählt euch Geschichten, macht Musik zusammen, singt, tanzt, kocht was Feines. Erzählt euch beim Essen, was euch beschäftigt. Was ihr geträumt habt. Wovor ihr Angst habt. Nicht was irgendwer im Fernsehen gesagt hat, sondern was euch persönlich wirklich, wirklich, als freie Seele und Individdum im tiefsten Herzen umtreibt… fühlt da hin. Und vielleicht, nur vielleicht fällt beim Blick in den Spiegel ja der eine oder andere Groschen. Sooo verschieden, wie man uns einreden will, sind wir nämlich gar nicht. Und auch nicht so schwach, wie man uns gerne hätte.
In diesem Sinne, bleibt frei und wild!
Kathrin Elfman
PS: Im Moment sind übrigens überall grandios feine Früchte reif. Heidelbeeren, Walderdbeeren, Himbeeren, Johannisbeeren, Mirabellen, Brombeeren… Nicht beim Discounter von wer weiß woher importiert, sondern vor der Haustür, in der freien Natur. Die schert sich nämlich einen Pups um künstliche Restriktionen, sondern feiert das Leben.
PPS: Gitarren klingen im Freien auch ziemlich klasse.
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Foto: Pixabay
Text: Kathrin Elfman © 2020
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