Der Lockdown im Kopf, oder: Gibt es Leben nach der Maske?

Bin ich weiß? Oder eher rosa? Vielleicht auch goldbraun gepunktet, wenn man die anderthalb Millionen Sommersprossen mitzählt? Im Augenblick bin ich vor allem eins: wütend. Und das muss ich mir grade mal von der Seele schreiben. Der Auslöser ist vergleichsweise trivial.

Vorhin bin ich durch Wiesbaden gefahren und habe gesehen, dass eine neue Partei, oder eine Sekte oder was immer das sein soll, mit Hunderten von Plakaten in Bonbonrosa und Schwarz auf Knallgelb um neue Mitglieder wirbt. Auf den Plakaten stehen Parolen, die an den Duktus aus Orwells 1984 erinnern: »Impfen = Konzerte«, »Impfen = Familie«, »Impfen = Leben« oder »Impfen = Freunde.« Von jedem verdammten Lichtmast, an jeder Ampel, sogar auf der Allee am Rheinufer brüllt mich mindestens eins von den Dingern an, mit Kabelbindern festgezurrt. Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke. So bösartig, dass mir spontan übel wird. Als ich den zweiten Ring entlangfahre, habe ich ein Flacker-Stakkato im Augenwinkel, das bestimmt so manchem Epileptiker Freude machen könnte. Schlimmer als bei der Bundestagswahl! Mal abgesehen vom dümmlichen Inhalt (wer nicht »impft«, der hat demzufolge keine Familie, keine Freunde, spielt keine Konzerte und ist tot, aha) ist das eine inakzeptable Ressourcenverschwendung. Würde eine Partei oder ein Autohersteller sowas machen, gäbe es längst Protestgruppen, in denen Greta-Klone empört Topflappen gegen CO2 häkeln.

Naja, Lichtblick: Ich sehe, dass die Aktion – wie es sich für aufdringliches Nudging im öffentlichen Raum gehört – von den Rezipienten mit einem zünftigen Shitstorm, dicken Filzstiften und kreativ platzierten Aufklebern beantwortet wird. Einige Plakate sind schon halb runtergerissen. Andere mit Sprühfarbe unleserlich gemacht. Auf drei Plakaten hat jemand das Wort nach dem = gelb übermalt und Myocarditis, Anaphylaxie und Herzinfarkt hingeschrieben. Die Zielgruppe ist eben doch nicht so dumm, wie die Absender dieser Aktion sie gerne hätten. Auf manches kann man sich verlassen. Also zurück zur Einstiegsfrage: Bin ich weiß?

Die Abschaffung der gechillten Koexistenz

Früher wäre ich nie auf die Idee gekommen, mir über meine Hautfarbe Gedanken zu machen, oder über die anderer Leute. Ich habe beruflich und privat mit Menschen jeder Schattierung von Porzellanweiß über Zartgelb, Sandbraun und Beige bis Samtschwarz zu tun. Und? Wichtiger als der Pigmentierungsgrad ist für uns, ob das Gitarrensolo vier oder 12 Takte lang sein soll, oder ob der Plot der neuen Geschichte non-linear auf mehreren Ebenen verteilt werden kann. Hautfarbe war in meinem Umfeld nie ein Thema. Bis es vor fünf Jahren plötzlich mitten in Europa zum Politikum erklärt wurde und wildfremde Menschen mich ungefragt als »Weiße« bezeichneten und zum Gegner erklärten. Aha. Zum Gegner von was? Das konnte mir bis heute keiner erklären. Dafür teilte man mir mit, dass bei Werbung bildlich und textlich jetzt eine Quotenregel zu erfüllen sei, nach der POC, hellhäutige Europäer und Asiaten in einem bestimmten Verhältnis auftauchen müssten. Ferner sei unbedingt auf die ausgewogene Präsenz von Rothaarigen, Blonden und Brünetten zu achten. Heilige Kinderpost. Können wir vielleicht mal über Inhalte sprechen, statt darüber, wie derjenige aussieht, der sie präsentiert?! Hat irgendwer mal ein Reinigungsprodukt, eine Versicherung oder einen O-Saft nicht gekauft, weil er sich optisch nicht mit Onkel Dittmeyer, Clementine oder Herrn Kaiser identifiziert? Und wieso nimmt eine erschreckend große Mehrheit es einfach so hin, dass unser entspanntes buntes Miteinander durch ein verkrampftes künstliches politisiertes Konzept ersetzt wurde, in dem sich keiner mehr frei bewegen kann?

Stichwort verkrampft. Es hat mich auch nie interessiert, ob jemand hetero, schwul, lesbisch, bi, trans, pansexuell oder asexuell ist. Ist das eigene Liebesleben nicht Privatsache? Denkste. Jetzt erklärt mir an jeder Ecke irgendwer unaufgefordert, dass ich als cis-gender-Heterofrau von Natur aus scheiße sei und daher gefälligst der LGBT Community zu huldigen habe, und wenn ich nicht sofort ein Regenbogen T-Shirt anziehe, bin ich homophob. Das Ganze kommt nicht etwa als private Meinung daher, sondern als öffentliches politisches Gender-Konzept, das jeder genussvollen ungezwungenen Intimität und Sexualität den Garaus machen soll. (Randnotiz: Regenbogen T-Shirts hab ich tatsächlich. Meine Pink Floyd »Dark Side of the Moon« Shirts. Die haben nichts mit Gesinnungs-Exhibitionismus zu tun, sondern mit geiler Musik. The lunatic is on the grass. Wie passend.)

Ebenso erlebe ich es mit Religionen, Kulten und Sekten. Was waren das für schöne Zeiten in den 80er Jahren, als wir einträchtig mit Katholiken, Scientologen, Zeugen Jehovas und Wicca Priestern, Neo-Sannyas, Moslems und Juden zusammensaßen und über alles Mögliche philosophierten, ohne dass einer den anderen zu meucheln versuchte. Jetzt wird mir von einem Taxifahrer in gebrochenem Deutsch die ewige Verdammnis angedroht, weil ich allein um halb drei in der Früh unterwegs bin, noch dazu mit offenem Haar, und folglich eine Ungläubige sei, die den Tod verdient habe. Macht 15,90 Euro. Soso. Erzählen darf ich das aber nicht, denn dann kriege ich eins mit der Islamophobie-Keule übergezogen. An welchem rostigen Gedankengeländer muss man sich die Synapsen verstauchen, um auf so einen Mist zu kommen?!

Private Lebensbereiche werden politisiert und im Spaltpilz-Zuchtkeller in den Katakomben der Gesellschaft angepflanzt.

Als vor 40 Jahren der Indien-Boom zusammen mit der zweiten Hippie-Welle nach Mitteleuropa schwappte und jeder mindestens einmal zur Selbstfindung in einem Ashram oder wenigstens im Urlaub auf Goa gewesen sein musste, entdeckte man selbst in den tiefsten deutschen Provinzen die Lust an vegetarischer Ernährung, inspiriert durch die indische Küche. Lammcurry ohne Lamm, Grillteller nur mit Gemüse, wieso nicht? Niemand kam auf die Idee, daraus ein politisches Konzept zu basteln. Jetzt koffert mir beim Besuch einer Geburtstagsparty ein Beinahe-Millennial mit bebender Stimme entgegen, er als Veganer könne keinesfalls mit jemandem am Tisch sitzen, der eine Jacke aus Tierleichenhaut trägt. Sonst keine Probleme, nein? Mein freundlicher Hinweis an den mutmaßlich männlichen Dutt-Träger mit Schnappatmung, dass meine abgerockte Lederjacke mindestens doppelt so alt ist wie er und außerdem aus einem Second Hand Laden stammt, womit sie nachhaltiger ist als sein hellblauer Polyesterhoodie made in China, verhallt ungehört.

Tja, und jetzt – der Kovid Kult.

Studiotermin. Statt einer fröhlichen Begrüßung schallt mir aus gefühlten sieben Metern Abstand ein kaltes, inquisitorisches »Halt, bist du geimpft?« entgegen. Schon wieder. Das wievielte Mal diese Woche? Auch diesmal beantworte ich die Frage nicht. Ich bin gesund, das muss reichen. Sonst wäre ich ja nicht hier. Wie käme ich dazu, private Labordaten, Testergebnisse und Impfzeugnisse irgendwem mitzuteilen, der nicht mal Arzt ist?

Der mich so indiskret antextet ist übrigens Gitarrist und schleppte bis vor einigen Jahren regelmäßig alle möglichen und unmöglichen Kinderkrankheiten seines Nachwuchses mit in den Proberaum. Ohne sich auch nur ein Mal zu fragen, welchen Schaden er damit anrichtet, und ob das nicht irgendwie asozial und daher zu vermeiden sei. Zum Beispiel durch Zuhausebleiben oder Abstandhalten. Nein, dazu brauchte es erst »Coronaregeln« und »Maßnahmen«. Diese befolgt der Betreffende jetzt mit geradezu hündischer Unterwürfigkeit. Sogar dort, wo sie völlig deplatziert und sinnlos sind. Von seinem früheren verantwortungslosen Verhalten als Virenschleuder will er nichts mehr wissen.

An dieser situationsbezogenen Teilamnesie scheinen derzeit viele zu leiden, die so lautstark nach zwangsweisen Tests, Masken und Impfungen plärren. Hat sich bis vor zwei Jahren auch nur einer derjenigen, die erkältet und hustend zu unseren Meetings, Pitches und Veranstaltungen erschienen sind, darum geschert, dass sie jemanden anstecken? Oder sich mal sicherheitshalber einem guten alten Grippetest unterzogen, bevor es zur Weihnachtsfeier, ins Konzert, in die Bandprobe, ins Meeting oder ins Getümmel bei der Silvesterparty ging? Nein, natürlich nicht. Da hatten die frisch konvertierten Kovid Kultisten noch gar kein Problem damit, ihre Mitmenschen ins offene Messer respektive Krankenbett rennen zu lassen.

Klar, jeder fängt sich ab und zu mal was ein. Shit happens. Ob Norovirus auf der Autofähre, Husten in der S-Bahn oder eine Influenza im FRA Shuttlebus voller Japaner (übrigens alle maskiert.) Und? Waren diese Infektionen damals auch nur eine Zeile in den Medien wert? Eine politische Intervention mit Lockdown, Track-and-Trace-App oder Einlasskontrollen mit Fiebermessen, Tests und Desinfektionsmittel? Blödsinn. Es war Privatsache.

Denken und denken lassen.

Was noch vor ein paar Jahren als geisteskranker Scherz vom Tisch gefegt worden wäre, hat sich innerhalb weniger Wochen als Fashion-Statement etabliert: Maske gut, durchatmen schlecht. Die Gesichtsverhüllung dient als Gesinnungsmetapher. Ich bin richtig, ich bin gut, ich mach das, was man mir sagt. Ob beim Joggen im Wald, nachts allein auf der Straße oder im Auto.

Dass die Lunge ein Ausscheidungsorgan ist, dessen Ausstoß man nicht in einer feuchtwarmen Petrischale vor dem Gesicht sammeln, in eine selbstgezüchtete Pilz-, Viren- und Bakterienkultur verwandeln und stundenlang rückatmen sollte, interessiert die Kultmitglieder nicht. Schon mal überlegt, warum Ärzte und insbesondere Chirurgen ihre Maske regelmäßig wechseln, fachgerecht auf- und absetzen und vor allem nicht dauernd mit ungewaschenen Händen dran rumfriemeln?

Und dann gibt es Menschen, über die man nicht sprechen darf.

Menschen, die aufgrund bestimmter Kontraindikationen keine Maske tragen dürfen. Zum Beispiel Allergiker, Schmerzpatienten, Gehörlose, Angstpatienten oder schwerst traumatisierte PTSD-Betroffene, um nur einige zu nennen. Sie tauchen in keiner Statistik auf, sind nie Teil des öffentlichen Dialogs, haben gefälligst nicht zu existieren und leiden daher stumm. Unsichtbar. Wann immer sie sich artikulieren, werden sie von den Kovid Kultisten gänzlich empathiefrei abgebügelt. Lebensmittelgiganten und Supermärkte erklären auf selbstgeschriebenen Schildern, dass ohne Maske der Zugang verboten sei. Attestierte Maskenbefreiungen werden ausdrücklich nicht akzeptiert. Das Hilfspersonal, das sich erschreckend engagiert als Rausschmeißer und Möchtegern-Türsteher betätigt, erklärt mir, wer keine Maske trägt, sei ein querdenkender rechtsradikaler Impfgegner und sollte sich sowieso nichts zu essen kaufen dürfen. So kam’s im Fernsehen, so muss es sein. Passt, wackelt und wird suizidal.

Wir sollten uns an diese Ungeheuerlichkeit erinnern, wenn sich der Wind dreht. Wer keine Skrupel hat, bestimmte Bevölkerungsgruppen willkürlich aus rein politischen Gründen von der Lebensmittelversorgung abzuschneiden, der ist noch zu ganz anderen Scheußlichkeiten fähig…

Es hat etwas von einem Fieberalptraum: Irgendwer im Abendprogramm phrast von einer »Pandemie der Ungeimpften«, am nächsten Morgen zieht die Masse in den Krieg gegen (vermeintliche) Impfgegner, Querdenker und Coronaleugner. Wer das konkret sein soll, und ob diese »Pandemie der Ungeimpften« überhaupt existiert, will keiner wissen. Gleichwohl wissen sie aber alle, das der Feind irgendwie rechts sein muss, schließlich hat’s der copy-paste Medienkanon so vorgesungen. Aus den öffentlichen Lebensbereichen hat man sie bereits per 2G entfernt. Sie dürfen nicht mehr fliegen, keine Hotelzimmer buchen, Museen oder Konzerte besuchen. Sogar an der Kirchentür zur Weihnachtsmesse wurden sie abgewiesen. Christliche Nächstenliebe, yeah.

Kadavergehorsam als Eventkonzept

»Volksschädlinge! Alle wegsperren!« tönt es aus Radios, Fernsehern und maskierten Gesichtern, brüllt es von Plakatwänden und virtuellen Rednerpulten. Dass ausgerechnet dieser Jargon in Deutschland wieder salonfähig ist, finde ich ebenso besorgniserregend wie aufschlussreich. Statt »nie wieder« jubelt man »endlich wieder.« Gemeint ist damit aktuell die bevorstehende Sommersaison 2022. Ja, es sind tatsächlich einige Konzerte, Vernissagen, Theater, Messen, Straßenfeste und Märkte geplant für diesen Sommer. Natürlich nicht für jeden. Veranstalter, Darsteller und Musiker erklären mir in diesen Tagen, ausschließlich 2G-Events durchführen zu wollen. Unabhängig von gesetzlichen Vorgaben, und unabhängig vom Infektionsgeschehen. Sie sagen das, als sei es völlig normal und vernünftig. Als sei es nicht das geisteskranke Geschwätz irre gewordener Fanatiker, die sich hoffnungslos in ihrer eigenen Wahnvorstellung verlaufen haben.

Vom internationalen Top-Act bis zur Tanzkapelle aus Hinterschlunzingen singt man das Hohelied der Segregationskonzepte. Wer sich nicht den »Grünen Pass« (schon mal überlegt, warum das Ding so heißt?) aufs Handy holt, darf weder eine Bühne betreten noch als Gast Veranstaltungen besuchen. (Nochmal: UNABHÄNGIG vom Infektionsgeschehen!) Gesunde lebende Menschen wie ich haben zu kulturellen Veranstaltungen keinen Zutritt mehr.

Randnotiz: Nein, mir geht es nicht um den medizinischen Sinn oder Unsinn dieser Segregation. Über den kann man sich an kompetenter Stelle informieren, sofern man will. Mir geht’s um etwas viel wichtigeres: dass immer mehr private Räume und Lebensbereiche gehijackt und in Kriegsschauplätze verwandelt werden, auf denen sich das Kriegspersonal reflexartig, freiwillig, unaufgefordert einer der beiden Kriegsparteien zuordnet. Das Corona-Schurkenstück ist darin eines von vielen Puzzleteilen. Ein hässliches, zugegeben. Und es findet passende hässliche Gegenstücke.

Banales Beispiel. 2020 liefen in einigen Städten Aktionen wie »Rettet eure Location« oder so ähnlich. Dabei sollten Menschen ihre Stammkneipen, Auftrittsorte und Restaurants im Lockdown finanziell unterstützen, indem sie Gutscheine kauften. Quasi als Vorkasse für den nächsten Besuch, wenn der Laden wieder öffnet. Nette Idee. Auch meine Freunde und ich haben Geld springen lassen für Lokalitäten, in denen wir früher gefeiert und gespielt haben, und mit deren Betreibern ich – wenn schon keine freundschaftlichen, so doch zumindest kollegiale – Verbindungen pflegte. Ehrensache, schließlich kennt man sich, also hilft man sich. Theoretisch. In der Praxis sieht es anders aus.

Als die Läden wieder öffneten, war sofort klar, dass wir mitfeiern und bei der Gelegenheit ein bisschen was von den »Gutscheinen« einlösen würden. Das meiste hätten wir ohnehin als Trinkgeld verschenkt. Ich will mich vor allem in einer bestimmten Location bei mir um die Ecke endlich mal wieder mit denen, die ich dort früher jede Woche bei Konzerten und Kneipenabenden getroffen habe, an einen Tisch setzen und über die letzten zwei Jahre reflektieren. Wissen, wie es allen geht. Was sie erlebt haben. Menschlicher Austausch eben. Aber dazu kommt es nicht.

Statt Wiedersehensfreude schlägt mir eine an Kälte und Großkotzigkeit nicht zu übertreffende Abfuhr entgegen. Mein einfacher Satz »du kennst mich, ich bin kerngesund, ich habe keine Covid-App und trage auch keine Maske, dafür gibt’s triftige Gründe,« führt nicht etwa zum fröhlichen Weinchen trinken, sondern zum Hausverbot. Einfach so. Vom langjährigen Stammgast zur persona non grata in anderthalb Minuten. Das ist einer der wenigen Momente, in denen mir nichts, aber auch gar nichts mehr einfällt, so fassungslos bin ich. Eben noch gegen die AfD gewettert, Regenbogenflagge gehisst und einen auf linksliberal gemacht, jetzt stramm linientreue Apartheid- und Segregations-Fanatiker?! Wow. Danke für nichts. Ja, das nehme ich persönlich. Mögen euch unsere nicht mehr einlösbaren Gutscheine samt eurer Bösartigkeit im Hals stecken bleiben!

Unwichtig? Eine Kleinigkeit? Wohlstandsjammern auf hohem Niveau? Vielleicht. Aber diese Kleinigkeit… ich finde, sie ist symptomatisch für einen Trend, den ich auch in anderen Lebensbereichen orte. Passive, gänzlich unreflektierte Folgsamkeit gegenüber abstrakten Autoritäten und deren politischen Konzepten, die über echten menschlichen Verbindungen stehen. Und er liebte den Großen Bruder. Gab’s das nicht schon mal? Ein durchgeknallter Schreihals befiehlt, wen man zu meiden habe, und der Untertan gehorcht? Tragisch. Und in diesem Falle auch unsinnig. Abzulesen aktuell an den explodierenden Infektionszahlen nach diversen 2G-Veranstaltungen. Wem wollt ihr das nun anhängen, wo die vielzitierten Querdenker, Coronaleugner und Impfgegner als Sündenböcke ausfallen?

»Aber du bist doch die, die was gegen Geimpfte hat!« kreischt es aus dem Off.

Gähn. Diese Anschuldigung höre ich nicht zum ersten Mal. Den Beweis bleibt der Kreischer allerdings in allen Fällen schuldig. Weil es nicht wahr ist. Warum sollte ich etwas gegen »Geimpfte« haben? Lasst euch impfen, tätowieren, piercen, knabbert Batterien oder badet im Altglascontainer, was geht’s mich an? Your body, your choice.

Wogegen ich etwas habe: Rassisten, religiöse und politische Fanatiker, Möchtegern-Vollstrecker und Denunzianten, die sich neuerdings qua Injektion für eine Art Herrenmensch halten, wie Zombies auf Autopilot durch soziale Räume torkeln und anderen Leuten das Existenzrecht absprechen! Nicht etwa aus persönlicher, frei gewählter Überzeugung. Sondern weil sie einer Propaganda auf den Leim gegangen sind, die sich der Teufel persönlich nicht besser hätte ausdenken können: Statt umständlich mit Bomben auf ein Land loszugehen, teilt man die Menschen einfach mit massenmedial verbreiteten Schauermärchen in zwei Gruppen auf und sagt der einen, wenn sie die andere plattmacht, wird alles wieder gut. Gesagt, getan. Freundschaften, Beziehungen, Orte, an denen man sich begegnen konnte – bämm, zermörsert mit Totschlägerphrasen aus dem Fernseher. Ja, dagegen habe ich in der Tat etwas. Ob die Plattmacher nun geimpft, ungeimpft oder lila eloxiert sind, ist mir egal. Und euch?

Wie wäre es zur Abwechslung mit einem Gespräch?

Schon mal an eine ergebnisoffene Begegnung gedacht? Ihr ehemaligen Freunde, Kollegen und Gastgeber, die ihr euch in euren 2G-Blasen verschanzt habt – warum sprecht ihr nicht mit Menschen wie mir, statt nur über uns? Warum kappt ihr so feige die Verbindung zu sogenannten »Andersdenkenden« und artikuliert euch nur noch in abstrusen Diffamierungen über angebliche Impfgegner, Coronaleugner oder Querdenker? Ohne ein einziges Mal nachzufragen, ob diese hirnlosen Labels überhaupt etwas mit der Realität zu tun haben? Oder mit uns?

Warum fragt ihr uns nicht einfach, warum wir dem Spaltungskult nicht beigetreten sind und das auch nicht tun werden? Interessiert euch daran irgendwas? Habt ihr schon mal an die Möglichkeit gedacht, dass wir stichhaltige Gründe haben, uns in diesen inszenierten politischen Stellvertreterkrieg nicht reinziehen zu lassen? Seid ihr fähig und bereit, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen statt nur die genormte Einheitsmeinung zu rezitieren, die das Fernsehen allabendlich ins Wohnzimmer erbricht?

Wir hätten uns sicher viel zu sagen. Es gäbe viele wichtige und persönliche Themen, über die wir bei einer gemütlichen Flasche Wein sprechen könnten und sollten. Traurig, dass eure Mitgliedschaft im Kovid Kult jeden Dialog mit Nicht-Kultmitgliedern kategorisch ausschließt. Noch trauriger ist es allerdings, dass ihr das einfach so hinnehmt und nicht zu begreifen scheint, welche Folgen das hat. Wann traut ihr euch, euren Kopf aus der 2G-Blase zu strecken und die Augen aufzumachen? Wir sind hier draußen, und unser Gesprächsangebot steht. Aber nicht mehr endlos lange.

Apropos reden.

Es zeichnet sich ja ab, dass der Kovid Kult in absehbarer Zeit ausgedient hat. Dann wird man euch eure Masken, eure politischen 2G-Stützräder und Verhaltensmaßregeln wegnehmen, an denen ihr euch seit zwei Jahren so verzweifelt festkrallt, und die euch das Gefühl vermitteln, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen. Was ist dann? Wenn euch keiner mehr sagt, wen ihr bekämpfen, aussperren, ignorieren oder beschuldigen sollt? Wie kriegt ihr diese bösen Geister aus dem Kopf, die euch zwei Jahre lang souffliert haben, dass selbständig denkende Menschen der Feind sind, den man mit allen Mitteln bekämpfen muss?

In absehbarer Zeit könnt ihr euch nicht mehr auf »ich befolge doch nur Anweisungen« rausreden und hinter einer imaginären Autorität verstecken, sondern seid wieder selbst für das verantwortlich, was ihr sagt, denkt und macht. Und dann? Die Masken könnt ihr tagesaktuell wegschmeißen. Aber was macht ihr mit der Maske im Kopf?

(Ja, die Formulierung ist ein Hütchenlüpfen an »Die Mauer im Kopf«, als sich nach der Wende der vieldiskutierte Mentalitätskonflikt zwischen sogenannten Ossis und Wessis entwickelte. Die Mauer im Kopf… bei manchen steht sie heute noch.)

Ich bin neugierig: Was fühlt ihr, wenn euch ganz langsam dämmert, dass diese teuflische choreografierte Corona-Aktion in mehr als 150 Ländern zu einem großen Teil auf Lügen, Fiktionen und bösartigen Strategien basiert hat? Was fühlt ihr, wenn euch klar wird, dass diese Krise nicht von irgendwelchen »Regierungen« organisiert wurde, sondern allein von euch? Weil ihr jede noch so absurde Anweisung stumpf umgesetzt habt, anstatt ein einziges Mal nachzudenken und NEIN zu sagen? Völlig devot, widerspruchslos, lammfromm?

Wie geht es euch, wenn ihr dran denkt, wen ihr verletzt habt mit eurem Kadavergehorsam? Beschädigte Verbindungen; Vertrauensbeziehungen mit Freunden, Geschwistern, Kindern, Enkeln, Großeltern, Nachbarn, Partnern, Lehrern, Kollegen – glaubt ihr, dieses Trümmerfeld löst sich von alleine auf? Mit einem lapidaren »sorry, ist irgendwie dumm gelaufen, aber ich musste mich doch an die Regeln halten…« ist das nicht zu reparieren. Nein, es ist nicht »dumm gelaufen«, ihr habt es so gemacht. Weil ihr gar nicht auf die Idee kamt, dass keine Regel, kein politisches Konzept, keine Maßnahme über dem stehen darf, was uns als Menschenseelen verbindet.

Und hier sind wir wieder am Anfang – der Politisierung zutiefst menschlicher privater Lebensbereiche und der damit einhergehenden Vernichtung sozialer Räume.

Diese Entwicklung hat nichts mit einem temporär auftretenden Virus zu tun, sondern ist Teil einer größeren, lebensfeindlichen Agenda, über die sich jeder halbwegs belesene Mensch informieren kann. Wenn er will. Aber wer jetzt, trotz aller unübersehbaren Hinweise, trotz heftigstem Kulissenbröckeln immer noch nicht bereit ist, den Zoom aufzuziehen und das größere Bild mit Abstand (Kalauer beabsichtigt) zu betrachten, und von den verbrannten zwischenmenschlichen Beziehungen wenigstens das zu retten, was noch zu retten ist – tja, was wird mit dem? Ich weiß es nicht. Der will vielleicht in seinem Lockdown-Szenario bis an sein Lebensende eingemauert bleiben, weil er sich dort sicher und gut aufgehoben fühlt?

Epilog

Vor zwei Wochen hat mir ein weiterer ehemaliger Musikerkollege virtuell die omnipräsente Frage »bist du geimpft?« gestellt. Auch ihm habe ich statt mit Ja oder Nein mit der freundlichen Gegenfrage geantwortet, ob er Lust hätte, dass wir mal einen Kaffee zusammen trinken, dann könnte ich ihm ja erzählen, wie ich das handhabe, und warum. Natürlich wusste ich, dass hinter seiner Frage keineswegs Interesse an mir stand, sondern er lediglich roboterhaft dem kognitiven Sortierzwang folgte, seine Umgebung in »richtig« und »falsch« einzuteilen. Die Bestätigung folgte prompt: Meine Einladung zum Kaffeetrinken quittierte er damit, dass er mich als dummen Coronaleugner bezeichnete und mir den baldigen Tod am Beatmungsgerät wünschte.

Gestern habe ich erfahren, dass er gestorben ist. Am Beatmungsgerät. Eine Woche nach unserem kurzen Dialog; einen Tag, nachdem er sich einen sogenannten Booster injizieren ließ. Vielleicht hätte er statt der Injektion doch den Kaffee mit mir nehmen sollen? Das Universum macht keine Fehler. Es hat aber einen tiefschwarzen Humor.

Mein Angebot bleibt bestehen. Noch. Frei nach Gottfried Benn: »Kommt, reden wir zusammen. Wer redet, ist nicht tot.«

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Foto: Pixabay

Text: Kathrin Elfman © 11. Februar 2022

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11 Antworten auf „Der Lockdown im Kopf, oder: Gibt es Leben nach der Maske?

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  1. Es wird sie immer geben, die Mitläufer. Im Mainstream lebt es sich einfach und bequem. Treiben lassen, nie gegen den Strom schwimmen. Der Mensch ist des Menschen Wolf. Ich empfinde genau wie Sie. Leider fehlt mir das Talent, das so in Worte zu fassen.
    Ihre Texte sind Perlen in der heutigen Zeit. Vielen Dank dafür!

  2. …und es gibt sie also doch noch: die kritische Stimme der Vernunft; bar jeglicher Grabenkämpfe, des politischen, ethischen oder religiösen Konformismus.
    Das hat tatsächlich meinen momentanen Weltschmerz ein wenig gelindert. Geteiltes Leid ist anscheinend doch nicht immer doppeltes Leid 🙂
    Bravo Kathrin!

  3. Gut! wäre nicht meine Angst um die, die sich freiwilllig boostern lassen und die ich trotzdem liebe, könnte ich über den Tod deines Bekannten lachen. So nicht. Es ist zum Verzweifeln. Sie wollen nicht reden.

    1. Ja, ich sehe mit Sorge, wie schlecht es derzeit einigen Freunden und Kollegen nach der zweiten oder dritten Injektion geht. Wie sie leiden, wie sie kämpfen und gleichzeitig krampfhaft versuchen, sich selbst und anderen diesen irreversiblen Schritt als richtig und sinnvoll schönzureden… Nein, sie wollen nicht reden. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und das ist wahrlich nicht zum Lachen.

  4. Starker Text! Danke. So ist das also, wenn man sich von fremden Menschen besser verstanden fühlt als von der eigenen Familie. Meine Schwester spricht seit Monaten nicht mehr normal mit mir, weil ich mich nicht impfen lassen will. Mein Schwager legte mir neulich einen Besuch beim Psychologen nahe wegen meinen „paranoiden Schwurbeleien“. Schwimu lässt mich als Ungeimpfte nicht mehr zu sich ins Haus. Reden, an einen Tisch setzen? Schön wär es. Ich erkenne die Leute nicht mehr wieder. Die Fronten sind verhärtet.

  5. Einen guten Abend

    Es ist und bleibt ein Spiel, ob mitspielen oder nicht spielen, nur wer fühlt und denkt kann es erkennen.
    Eine Auslese der besonderen Art die den Weg für neue Wege, Muster und Verhalten legt.
    Die Erkenntnis, die Wahrheit findet ihren Weg.
    Mitleid, Mitgefühl, Mithaftung nein Aufbruch zum einen ehrlichen Waren und echten Miteinander.

    Einen freundlichen Gruss

    von der Elbe

  6. Danke dafür – out of my brain into your blog quasi. Auch ich habe massiv verschlechterte familiäre Beziehungen und zerbrochene Freundschaften zu beweinen. Aber auch viele neue Freundschaften haben sich aufgetan. Ich habe hinter die Masken der Menschen geschaut (auch dieser Kalauer ist beabsichtig*g). Hätte ich bei vielen gern drauf verzichtet. Dass die Menschen so sind, wie sie sind, wusste ich vorher schon – Erschreckt hat mich nur die schiere Anzahl derer, die wieder zackig die Hacken zusammenschlagen und „Befiehl, wir folgen“ brüllen. Ironischerweise genau diejenigen oftmals, die gern bei Omas stricken gegen rechts anzutreffen wären – auch vom Alter her. Dazu ein Dushan Wegener: ordne deine Kreise – will sagen, sortiere aus, wer dir nicht guttut und um gib dich nur mit solchen, die dir auch in Zeiten wie diesen nicht die Tür weisen oder nach deinem Impfstatus fragen.

  7. Vielen Dank, eine schöne Zusammenfassung des Wahnsinns. Man müsste es einfach ‚rausschreien. Wenn das jeden Tag 10 Leute in jeder Stadt täten – wer weiß…

  8. Danke! Großartiger Text, der mir aus der Seele spricht. So beschissen die letzten zwei Jahre auch waren, bin ich der ganzen Idioterie auch dankbar. Ich weiß nun, daß etwa 90% aller Familienmitglieder, echt oder angeheiratet, sowie 80% aller Freunde und Bekannten, mich, meine Frau und meine Kinder, ohne mit der Wimper zu zucken vom der nächsten Klippe schmeißen würden, sobald die Glotze es befiehlt. Diese Erkenntnis befreit – oder, so wie mein alter BWL-Leher es ausgedrückt hat: Enttäuschung ist ein positv behafteter Begriff, man ist ENT-Täuscht, die Schleier fallen ab und man sieht klar. Auch habe ich meine Meinung gegenüber anderen Menschen, die sich ebenfalls nicht von dem grassierenden Wahnsinn haben anstecken lassen, beistellen müssen. Danke dafür!

  9. Guter Text.
    So gut, dass ich ihn sogar weiter verlinkt habe.
    Das mache ich nur selten.
    Einziger Kritikpunkt ist natürlich, das genau diese Krise, wenn nicht nur von den Regierungen, aber mit Sicherheit von den WEF Leuten /(Klaus Schwab) und den Pharmakonzernen iniziiert wurde und eine Klima und Hygienediktatur zu etablieren.
    Die Mitläufer tragen natürlich alle eine Mitschuld, denn, genau in diesem Moment wenn sie sich aus dem Fenster lehnen und anderen ihre krankmachenden Maßnahmen aufdrücken wollen.

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