Vom Wesen der Wertschätzung

Ein schöner Sommertag im Juli 2011. Telefon klingelt. Mittelgroße Network-Werbeagentur ruft an.

Agentur: »Frau Elfman, wir haben Ihre Blogs gelesen!«

Ich: »Prima. Dafür sind sie da.«

Agentur: »Wir finden das gaaanz toll, was Sie machen. Ihre Art zu schreiben ist genau das, was wir suchen. So intensiv, so urban-kraftvoll und gleichzeitig feinsinnig! Sie sind in jeder Hinsicht unser Idealtexter!«

Ich: »Danke.«

Agentur: »Hätten Sie denn kurzfristig freie Kapazitäten für uns?«

Ich: »Da lässt sich bestimmt was machen. Worum geht’s denn?«

Agentur: »Wir brauchen Advertorials, unsere Website muss überarbeitet werden, und zwei unserer Key Accounts wollen ihre Corporate Communication neu aufstellen, d.h. Broschüren, Mailings, Success Stories, Podcasts, sämtliche Kommunikationsmaßnahmen.«

Ich: »Das mache ich gerne. Schön viel zu tun! Timing?«

Agentur: »ASAP. Können wir uns nächste Woche mal zusammensetzen?«

Ich: »Bei mir ginge es am Mittwoch um 14.00 Uhr.«

Agentur: »Phantastisch, danke Frau Elfman, wir freuen uns auf Sie! Wir haben schon mal den kompletten Input zusammengestellt.«

Ich: »Super, dann können wir gleich den Text- und Konzeptionsaufwand fixieren, so sparen wir Zeit.«

Agentur: »Äh, wir dachten …«

Ich: »Ja?«

Agentur: »Das ist ja Werbung für Sie, wenn wir uns als Network mit Ihren Texten präsentieren und Sie als Autorin auf unserer Agenturseite featuren.«

Ich: »Featuren dürfen Sie mich. Was hat das mit meinem Texthonorar zu tun?«

Agentur: »Ähm, öh *verhedder* wir haben jetzt kein großes Budget.«

Ich: »Sie sagten, es handle sich um zwei Ihrer Key Accounts?«

Agentur: »Die Zeiten sind ja *stammel* nicht so rosig.«

Ich: »Bevor wir über Farbimpressionen sprechen, wollen wir nicht erstmal den Kostenaufwand abstimmen?«

Agentur: »Eigentlich haben wir keine finanziellen Ressourcen für Text.«

Ich: »Ihre Key Accounts verlangen, dass Sie den Text gratis liefern?«

Agentur: »Na, so ist es auch nicht.«

Ich: »Wie dann?«

Agentur: »Es gibt halt kein großes Budget für den Text.«

Ich: »Wie groß ist es denn genau?«

Agentur: »Naja, also …«

Ich: »Eine Zahl würde schon reichen.«

Agentur: »Ich sehe hier eine Win-Win-Situation, auch wenn das keinen unmittelbaren Honorarumsatz für Sie bedeutet *fasel* wenn wir an einem Strang ziehen, können wir in Zukunft ganz bestimmt auch m…«

Klick.

Ja, an einem Strang ziehen würde ich bei der betreffenden Person auch gerne mal. 13 Minuten Lebenszeit mit unschönen Energien verplempert. Dabei macht mir die Projektanbahnung großen Spaß. Ich spreche immer gerne mit meinen Auftraggebern. Über Ideen, Termine, Befindlichkeiten, das Wetter und natürlich auch über Geld. Und zwar ebenso entspannt und gutgelaunt wie über alle anderen Aspekte dieses Jobs. Aber in solchen Momenten werde ich zornig. Hat dieser Mensch am anderen Ende der Leitung denn wirklich mit der Erwartungshaltung, meine Arbeit gäbe es gratis, meine Nummer gewählt? Wie kommt er auf diese absurde Idee? An welcher Stelle in meiner Kommunikation, auf meiner Website, in meiner Rüberkomme oder meinen Referenzen ließe sich ableiten, ich würde kostenlos arbeiten?

Genau: nirgendwo. Ich bin seit mehr als 25 Jahren hauptberuflich freie Texterin und Autorin. Heißt, ich lebe davon. Ganz wörtlich genommen. Ich bekomme keinen Cent vom Staat, habe keine reichen Eltern, auch keinen Millionär als Mäzen im Hintergrund, und auf meinem Konto liegt auch kein sechsstelliger Lottogewinn. Ich arbeite ganz normal für meinen Lebensunterhalt. Nur weil ich diese Arbeit liebe und sehr gerne mache, heißt das doch nicht, dass ich nicht angemessen dafür entlohnt werde. Ist nicht sooooo schwer zu verstehen, oder? Und die meisten verstehen es ja glücklicherweise auch.

Da weiß ich doch wieder, warum ich so gerne für inhabergeführte Agenturen, Unternehmen und Verlage tätig werde. Nein, in Geld schwimmt von diesen Firmen keine. Aber dort gibt es etwas, das ich bei Großkonzernen vermisse: Wertschätzung. Und Entscheider, die Projekte sauber kalkulieren, für ihr Geld ehrlich arbeiten und daher begreifen, dass qualifizierte Leistung angemessen zu bezahlen ist. Genau mit so einem werde ich jetzt mal telefonieren und die Reste dieser, pardon, Verbalflatulenzen aus dem Äther scheuchen:-) DANKE.

Text © 2011 Kathrin Elfman

14 Antworten auf „Vom Wesen der Wertschätzung

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  1. Tja, die „Geistig is umsonst, Alder“ Kultur gibt es nicht nur bei den Piraten sondern auch bei den gewerblichen Nutzern von geistigem Eigentum.
    Habe mich über die Einschätzung von inhabergführten Unternehmen gefreut. Genauso sehe ich das als Inhaber eines kleinen Verlages auch. ICH muss dem Autor, Ilustrator,Programmierer …. in die Augen schauen und einen fairen Deal vorschlagen. Bei uns arbeitet niemand, auch keine Praktikantin umsonst. Wäre schön mal die reaktion zun hlren wenn man vorschlägt: Du arbeitst bei uns ja für eine „führende Network-Werbeagentur“, das ist doch an sich schon eine Win-Win-Situation,da willst du nicht auch noch ein gehalt haben.
    Leider tut’s der Videolink nicht mehr.

    1. Ja, das Video gibt’s leider auf den betreffenden Websites nicht mehr:-( danke für den Hinweis!

      Verlag mit Praktikanten-Bezahlung? Vorbildlich, gefällt mir! Das hat auch Symbolcharakter, schließlich gehört zum Erlernen des Berufs auch das Bewusstsein für die Wertigkeit der eigenen Arbeit.

      Das mit der Inhaber-Führung erlebe ich durchweg positiv, ob bei Verlagen oder Agenturen. Vielleicht, weil dort das eigene Geld ausgegeben und verdient wird und daher auch Engagement und Input mehr geschätzt und bewertet werden? Nicht abstrakt, sondern eben direkt spürbar? Gilt übrigens auch in Kombination mit erfrischender Offenheit für unkonventionelle Kreation. In den Networks herrscht oft schon beim »Brainstorming« eine derart rigide, angstgesteuerte interne Zensur, so dass der Kunde (und damit das Publikum) die wirklich schrägen, witzigen, ungewöhnlichen Ideen gar nicht erst präsentiert bekommt. Beim direkten Draht zwischen Inhaber, Kreation und Kunde geht deutlich mehr;-)

  2. Dass Leute nix zahlen wollen für Leistung, ist leider normal. Das erlebt man zum Beispiel auch, wenn man Tontechnik/Recording macht. Das war wohl schon immer so, oft können die Leute auch nicht einschätzen, wie viel Arbeit dahinter steckt.

    Traurig bis dreist ist, dass nun auch Firmen auf dem Trip sind. Denn die müssten ja schon in etwa wissen, was dahinter steckt. Da wird eben einfach versucht, Blogger abzuzocken, weil die machen das ja eh als Hobby. So wie sich die Musiker freuen, wenn sie spielen dürfen.

    Immer, wenn man etwas kostenlos anbietet, ist es nichts wert. Das hier ist schließlich eine kapitalistische Gesellschaft. Deswegen sollte man das nicht tun. Zwischen was verlangen und andere ausbeuten ist ja durchaus ein schöner Spielraum.

  3. So etwas kennen ich sogar von der großen Txxx.
    Anruf bei uns ob Sie ien paar Bilder einer guten Geschichte haben könnten.
    Wir fragen höflich was denn dafür bezahlt wird – Die Antwort das ist doch Werbung für Sie…!!!
    Siehe auch DAX Schwergewichte wollen die Kleinen bescheissen

    [Name unkenntlich gemacht]

  4. Grossartig!
    Bin überrascht, sehr selten gefunden—-> Verlagsautoren mit Blick übern eigenen Tellerand.

    Insegsamt ein Thema, wie in einem Minenfeld eingebettet … ich habe es vor einiger Zeit auch aufgenommen… hier nur ein Beispiel/Auszug dazu : (…)

    Nehme ich den Koch, der gerade ein feines kleines Restaurant eröffnet hat, den Kneipier, mit seiner Eckkneipe, den Imbissbetreiber, der die besten Bratwürste der Region anbietet. Nehme ich das Hotel, dessen Existenz sich genauso über Auslastung rechnet, wie die des Pizzabäckers mit Hauslieferung.

    Sollten alle auf die Idee kommen, nur kostenlose Bewirtung und Beherbergung schaffe das Potential zukünftig zahlender Kunden, wäre es möglich, sich regelmässig satt zu essen und gut zu schlafen, ohne auch nur einen Euro dafür ausgeben zu müssen.

    Das sei übertrieben dargestellt? Na- im Vergleich zur Gratisbücheraktion ist es sogar sehr- sehr- sehr ähnlich, denn der Verbraucher sieht vom Buch nur den „Blick ins Buch“ und in Restaurants kann er maximal Geruch und Aussehen einer Speise prüfen, bevor er festlegt, wofür er Geld ausgeben will. Und Nahrung ist es allemal- geistige und die für den Magen. Körper und Geist … Aber bitte- gern- wir können ebenso die Gilde der Friseure, der Schneider, der Schuster und der Bäcker als Vergleich heranziehen. Am Allerallerallerbesten alle gemeinsam, wir hätten dann nicht nur einen vollen Magen, sondern sähen dabei auch noch Klasse aus. (…)

    http://www.spiegel-bilder.biz/blog/2013/kommen-sie-hierher-kommen-sie-ran-hier-bekommen-sie%C2%B4s-billiger-als-nebenan/

    und auch

    http://www.spiegel-bilder.biz/blog/2013/was-taugt-der-mensch-oder-was-ist-der-wert-wert/

    Beste Grüsse
    ACR

  5. Herzlichen Dank für diesen Artikel und weiterhin frohes und vor allem auch erfolgreiches Schaffen! 😉

    Liebe Grüße

    Christiane

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