SEO, oder: der Texter als Maschinenpfleger

Jobs abzulehnen tut in diesen Zeiten ein bisschen weh. Ist aber in Einzelfällen notwendig. Genau wie es notwendig ist, ab und zu über das eigene Berufsbild zu reflektieren und sich zu fragen, ob aktuelles Tagewerk und Traumberuf inzwischen so nahe beieinander liegen wie Kartoffeldruck und Atomphysik.

Ich bin spießig und stehe auf Kongruenz im Wollen und Machen. Weshalb ich bestimmte Dinge sein lasse. Zum Beispiel Texte verfassen, deren einzige Existenzberechtigung es ist, aufgrund ihrer Keyword-Dichte eine Website im Suchmaschinenranking möglichst weit oben erscheinen zu lassen. Die Sätze um das Keyword sollen gemäß Briefing absichtlich so wirr dahergestammelt werden, dass es unmöglich ist, einen Sinn daraus abzuleiten. Schließlich ist das, was aussieht wie Text, aber keiner ist, nicht für kohlenstoffbasierte Wesen mit Herz und Hirn geschrieben, sondern für Maschinen. SEO (Search Engine Optimization), also das Erstellen suchmaschinenoptimierter Texte, ist eine der grellsten Blüten, die das Gewächs »Gebrauchstext« derzeit hervorbringt. Sie sieht aus wie vergammelte Buchstabensuppe, riecht auch so und wächst bevorzugt auf budgetkargen, sprachgefühlsarmen Böden.

Nun gibt es glücklicherweise zwei Sorten SEO-Text: stinkeblütigen und seriösen, der auch von Menschen gelesen und verstanden werden soll. Den schreibe ich. Den anderen nicht. Ja, liebe Werbekunden, Redaktionsbüros und Agenturen, es ist durchaus möglich, Texte semantisch sauber und didaktisch plausibel zu verfassen UND darin suchmaschinenenrelevante Schlüsselbegriffe unterzubringen. Also lasst es uns doch machen. Es riecht schon ziemlich streng im Wiwawerbeweb. Fenster auf! Auch SEO-Text kann schön sein, wenn man ihn lässt!

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