Elf Tipps für bessere Texte

von Kathrin Elfman

Deutsch ist eine wundervolle, kraftvolle klare Sprache. Ich liebe sie! Sie kann nicht nur Informationen vermitteln, sondern auch Gefühle auslösen, Kauflust erzeugen, Leben retten, Paradoxien plausibel erklären, die Ausschüttung von Glückshormonen anregen und Sachverhalte vermitteln, die in anderen Sprachen unsagbar sind. Kraftvoll und präzise, aber bei Bedarf auch voller zarter verspielter Metaphern. Hach …

Zur Zeit ist es allerdings knifflig, mit offenen Augen unterwegs zu sein und nicht alle fünf Minuten an Orwell’schen Neusprech zu denken. Ob an Bushaltestellen, in Advertorials, PR-Texten, Anzeigen oder Bewegtbild-Spots, ja, selbst auf Magazin- und Verlagswebsites: Das Gesagte strotzt vor semantischer und grammatikalischer Hässlichkeit. Was nicht nur dazu führt, dass man den Inhalt manchmal kaum erfassen kann. Es wirkt auch im Unbewussten, beschädigt sorgfältig aufgebaute Markenidentität, erzeugt Ablehnung auf Verbraucherseite und, pardon, nervt wie Sau.

Ja, wir Texter kochen auch (fast) nur mit Wasser. Aber klar und frisch sollte es schon sein. Deshalb gibt’s an dieser Stelle meine langjährig erprobte Liste mit supereinfachen, aber gerne ignorierten Zutaten für mehr Genuss und Sprachschönheit. Bitte an den Kühlschrank heften, merken und anwenden. Die Zutaten, nicht das Wasser.

1. Ausrufezeichen in Serie neutralisieren den Inhalt. Außer bei Satire.

2. Anglizismen suggerieren Unsicherheit und Unaufrichtigkeit. Außer als Stilmittel und bei Engländern.

3. »Jetzt kaufen«, »anmelden und profitieren« oder »clever sparen« gehören in die 90er und haben in der aktuellen Kommunikation nichts verloren. Der imperative Infinitiv dockt außerhalb des Belohnungszentrums im Gehirn an und verursacht Widerwillen beim Leser. Er tut folglich genau das Gegenteil von dem, was die Botschaft erreichen will. Es empfiehlt sich daher, das von Werbern gerne so bezeichnete »Kaufduidiot« empathischer und zielführender zu formulieren. Ausnahme: Buttons mit direkten Links zu Angeboten.

4. Das Deppenapostroph. Büddeee, das tut doch beim Hingucken weh! Wie oft müssen wir es noch lesen? Es heißt nicht »Pflege für’s Haar« oder »DSL in’s Haus« oder »gar nicht’s.« Sondern »fürs«, »ins« und »nichts.« Das Apostroph dient in unserer Sprache als Auslassungszeichen für einen einzelnen Buchstaben und ist kein optisches Trennmittel. Geht’s? Klappt’s? Klingelt’s? Ausnahme: englischsprachiges Posessiv mit Apostroph -s.

5. Unpassende Bild-Text-Konstruktionen. Ja, es sieht nett aus, Immobilienfinanzierung mit Bildern von Segelbooten und Meer zu bewerben. Doch stichprobenartig ermittelte Leser-Assoziationen haben wenig mit Kaufabsichten zu tun: Baden gehen, Schwimmen, Angeln, Absaufen, Urlaub, Nässe im Keller. Und nein, die Zielgruppe mag nicht »eintauchen« in die »faszinierende Erlebniswelt« eines »exklusiven« Autos, Kunstdüngers oder Gebissreinigers. Sie möchte eine verständliche Ansage. Dinge des täglichen Bedarfs wie Backwaren, Shampoo oder Einlegesohlen mit »erleben Sie«, »wirkt mit dem Zauber der Natur« (huch? Alchemie im Drogeriemarkt?) sowie dem unsäglichen »faszinierend« oder »exklusiv« anzupreisen, schreckt ab. O-Ton Kunde in Frankfurter Bäckerei: »Isch will hier nix erlebbe, isch will ma Brötscher kahwe!«

6. Sind runde Kreise, würzige Gewürze, saubere Sauberkeit, schwerelose Leichtigkeit oder lauter Krach im Text enthalten? Dann raus damit. Ein intakter Präfrontallappen sagt nein zu penetranten Tautologien und Dopplungen. Und verlangt Coffee to Go zum Mitnehmen für unterwegs.

7. Exklusiv, umfassend, richtig, lebendig oder optimal sind nicht steigerungsfähig. Niemals. Auch nicht im optimalsten richtigsten exklusivsten lebendigsten Webzwosprech.

8. Beliebter Fehler: Handlungen als »Aktivitäten« zu bezeichnen. Haben Sie schon mal gehört, dass bei einem Fallout Radioaktivitäten freigesetzt wurden? Oder Kinder unter Hyperaktivitäten leiden? Es gibt nur die Aktivität. Singular. Ebenso wie Elektrizität, Attraktivität oder Gesundheit. »Freizeitaktivitäten« ist Doofdenglisch. Ebenso wie »nicht notwendigerweise«, abgeleitet aus »not necessarily« (auf Deutsch »nicht unbedingt/nicht zwangsläufig«) oder »Technologie«, ursprünglich »technology« (auf Deutsch ganz einfach »Technik«.) Auch Slangsprech wie »Wellness«, »Service Point« oder »Walking« bitte aus dem Thesaurus streichen, das können wir in unserer Sprache viel schöner;-)

9. Du hast eine Botschaft? Wie lautet sie? Nein, nicht das, was sich euer Art Director zusammen mit dem Account Manager vorhin im Auto ausgedacht hat. Sag es in Deinen Worten. Ohne Werbeschmus. Klar, direkt, eindeutig. Die Zeiten, in denen Haushaltsgeräte länger leben, Pralinen als Freundschaftsbeweis ausgelobt werden oder Hülsenfrüchte sich vor lauter Frische singend in Konservenbüchsen stürzen, sind vorbei. Zum Gück.

10. Zu meiner Anfangszeit kannten wir Schreiber noch den »Putzfrauentest«, mit dem in Verlagen, Agenturen und Sendeanstalten Texte auf Wirkung geprüft wurden. Was oft zu bereichernden Gesprächen mit Reinigungspersonal, Handwerkern oder Kurierfahrern führte. Und das meine ich ganz ohne rotsockigen Subtext. Ein unverkrampfter Dialog mit Nicht-Schreibern enttarnt so manchen Werbesprech ruckzuck als zu konstruiert oder kompliziert. Im Idealfall, bevor er für teures Geld produziert wird!

11. Sternchen gehören an den Himmel, nicht ans Fußende von Werbetexten! Eine Botschaft, die Kleingedrucktes mit mehr als einer Sternchenauflösung benötigt, ist gelogen. Sie wird mit Assoziationen wie »Täuschungsversuch, Hinterlist, Misstrauen« im Limbischen System abgespeichert. Gut im Dschungel, schlecht fürs Markenimage. Bitte so lange dran feilen, bis alle wichtigen Informationen sich wahrheitsgemäß klar in Headline und Copy erzählen lassen. Oder einen Extra-Absatz in gleicher Typogröße mit den notwendigen Formalitäten anlegen.

14 Antworten auf „Elf Tipps für bessere Texte

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  1. Danke für die schöne Zusammenfassung!

    Jetzt bitte noch für journalistische Texte, damit einem Straftäter nicht mehr fünf Jahre Gefängnis „drohen“, sondern er „damit rechnen“ muss. Und keine Menschen mehr evakuiert werden… 😉

    1. Ja, genau 🙂 Nicht zu vergessen das Erdbeben, das Opfer gefordert hat. Ob es die Forderung per Fax übermitteln konnte?

  2. Lesen von interessanten Texten löst bei mir immer soviele Überlegungen aus, daß ich auch hier erstmal nur bis Punkt 6 gelangt bin. Das ist schrecklich. Bis hierhin finde ich es aber klasse!

  3. Jetzt habe ich etwas mehr verstanden. Nämlich die Details, warum ich Werbung meistens so grausam finde. Weil die sich alle nicht an die Empfehlungen hier halten. Ich finde aber auch, dass da eine Haltung dahinter steckt, die schon vor dem Text anfängt. Ein befreundeter Außendienstler im Holzgroßhandel sagte mir mal: „Verkaufen heißt dienen.“ – und so ist es, wenn ich etwas kaufen will, dann möchte ich, dass mir der Verkäufer hilft und das Produkt soll mir etwas nützen. Bei einiger Werbung, vor allem der mit den vielen Imperativen, scheint mir das dahinterstehende Konzept aber wirklich zu sein, dass ich dem Produkt und seinem Hersteller dienen soll. Warum sollte ich das wollen?

    Wer schlechte Beispiele will, kann sich ja mal die Webseiten von DSL- und Mobilfunkanbietern anschauen. Da wird aus jeder schnöden Datenverbindung ein Orgasmus.

    1. Sehr interessanter Gedankengang: Rollentausch! Der Kunde soll dem Hersteller, respektive seinem Produkt dienen, nicht mehr umgekehrt. Ja, das beschreibt ungefähr mein Gefühl, mit dem ich mich neulich durch verschiedene Handytarife gewühlt habe und es mir nicht gelang, die Leistungsmerkmale objektiv zu vergleichen. Weil die Beschreibungen so wolkig und vage waren. Gefühlter Subtext: Stell keine Fragen; sei froh, überhaupt einen Vertrag bei uns abschließen zu dürfen 😉

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      **** Frischegrad ist produktionstechnisch bedingt und kann variieren!!
      ***** oder so
      😉

  5. Das musste mal gesagt werden! Ja, so richtig mit Drübernachdenken.. Ich muss dennoch mitteilen, dass ich bei der peinlichen Danke-Werbung mit dem protektiv-immerpräsenten Vater, der die Tochter durchs Leben begleitet, immer vor Ergriffenheit heule. Ja, das is krank. Hat für mich jedoch hohen Wiedererkennungsfaktor (hmm, Kaffe-Sahne, Haselnuss, schluchz..). Ich selbst bin gehalten (wegen Kundenmangels) Werbung für meine Autovermietung zu erneuern, empfinde im Zuge dessen die kraftvollen Anregungen oben absolut förderlich. Aber der „Sprech“ ist ein Tick…? Smile (das ist doch ein deutsches Wort inzwischen?)

    1. Stimmt, viermal -sprech ist zweieinhalbmal zuviel, danke fürs Finden!
      🙂 *Danke-Schokolade rüberschieb*
      Ich lasse es drin und nehme es zum Anlass, die o.g. Liste um den Punkt »11a: Die eigenen Texte auf schleichende Einschleichung von schleichend angeeignetem Ticksprech überprüfen« zu ergänzen!

  6. Punkt elf ist mein Lieblingspunkt*

    *aber Punkt 2 und Punkt fünf sind eigentlich auf Augenhöhe, wenngleich der fünfte Punkt eher dem Bedürfnis etwas schön bunt zu machen mit Nachsicht versehen werden sollte.
    Die wirklich richtigen Bilder findet man eher selten im Stockarchiv und Ideen-wie früher- fotografieren zu lassen, ist heute ein Luxus, den sich kaum einer noch leisten…mag.
    Leider.

  7. Jeder Punkt wird zur Sonne; ich dachte schon, ich bin altmodisch.

    Danke, es gibt sie also doch (noch), die Lust an der Sprache.

    ACR

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