Ich schreibe, also bin ich: Die süße Lust am Gebrauchstext

Über Texter im Greta Garbo Modus, warum Werbung ehrlicher ist als Journalismus, was Schreibkunst mit Margarine zu tun hat – und wieso Protagonisten so oft Charlotte, Paul, Max und Lisa heißen


Wissen Sie, wie es sich anfühlt, Drillinge auf die Welt zu bringen? Ich nicht. Muss ich auch nicht haben. Aber ich stelle mir die Erleichterung hinterher ungefähr so vor wie das, was ich zur Zeit spüre. Seit ein paar Wochen ist »Lepleja« draußen. Meine literarische Mehrlingsgeburt. Der psychoaktive Sci-Fi-Roman ist das Anspruchsvollste, was ich bisher geschrieben habe. Nun ist meine kreative Pipeline wieder frei für das, was sich normalerweise in meinem Texter- und Autorenstübchen abspielt. Hierzu kamen in letzter Zeit einige interessante Fragen in meinem E-Mail-Postfach an, die ich heute gerne beantworten möchte. Denn wie sagt der Hesse?

Normal is ach emol ganz schön

Typischer Dienstag. Ein Modeversand beauftragt mich mit Idee und Text für ein Kundenmailing. Abgabetermin morgen Mittag. Kein Problem, so kann ich vorher einen Klappentext fertigschreiben. Telefon klingelt. IT-Unternehmen möchte seine Wechselbanner neu betextet haben. In zwei Stunden.

»Knapp? Wieso, es sind doch nur sieben Wörter pro Screen.« Jaha, und die sind arbeitsintensiv wie zwei Seiten Prosa! Nach diesem Praxisbeispiel für angewandte Relativitätstheorie gibt’s erstmal Musik und Kaffee. Nicht als Heißgetränk, sondern als Brainstorming. Kaffeerösterei wünscht Namensvorschläge für neues Produkt. Freies Assoziieren um die Bohne. Danach neue Produkttexte für einen Gitarrenhersteller. Nein, für DEN Gitarrenhersteller. Mmmmh. Der Job geht mir runter wie ein Milagro zum Sonnenuntergang und betextet sich fast von selbst. Außerdem steht Website-Text für einen koreanischen Fahrzeughersteller auf dem Programm. Autos betexten, juhu. Anschließend gönne ich mir ein wenig Synapsenyoga und lege Story, Figuren und Plot für meinen neuen Erotik-Roman an. Der nächste Auftrag erzeugt einen rasanten Übergang von Rohr zu Rohrsystem: »Wir brauchen einen Pressetext für die Polymerbeton-Kanalmodelle, können Sie das?«

Ja, kann ich.

Ich kann auch Microsites, Advertorials, Kolumnen, Glossen, Blogs, Newsletter, Broschüren und viele andere schöne Spielarten der Kommunikation. Klar, das klingt nicht so glamourös wie den ganzen Tag Bücher signieren, Interviews geben, auf  Schickimicki-Parties das unverstandene Genie spielen oder im Casino die siebenstelligen Tantiemen verzocken. Diese Erfahrungen durfte ich bereits machen (okay, die Tantieme war nur fünfstellig, aber der Rest passt) und fand das Theater zwar cool, aber auch künstlich und krampfig. Geschrieben habe ich in der Zeit übrigens keine einzige gute Zeile, nur Belangloses. Drum: Aufpassen, Kollegen.

Schreiben ist sexy, ernährt mich finanziell, geistig und emotional, erweitert permanent meinen Horizont und macht mir einfach Spaß. Dieser hochenergetische verdichtende Umgang mit unserer schönen Sprache duldet keine starre Struktur, stellt immer neue Anforderungen an Phantasie und geistige Beweglichkeit – und zwingt zur Disziplin.

Auftragstext und Belletristik, beißt sich das nicht?

Nun könnte ich es mir einfach machen und mit einer Talkshow-kompatiblen Gegenfrage antworten: »Ein- und ausatmen, beißt sich das nicht?« Lacher einblenden, nicken, dankeschön.

Die Frage ist aber gar nicht verkehrt, deshalb beantworte ich sie gerne: Nein, es beißt sich nicht, solange Stile, Techniken, Genres und Formate handwerklich sauber und trennscharf bedient werden. Sobald man versucht, sie zu pürieren und zu mixen, geht die Sache schief.

Was in der Musik reizvoll sein kann, ist beim Schreiben fatal, denn hier entstehen statt interessanter Mesh-ups fiese Textmutanten. Guck, sie umzingeln uns bereits: Hippe zeitgeistige Frauenromane entuppen sich bei genauem Hinsehen als Werbung für einschlägige Prostitutions-Portale, Nachrichten werden im Duktus von Game Shows präsentiert, Parteiprogramme avancieren zu FSK18-Fantasymärchen, scheinbar seriöse White Papers entpuppen sich als Desinformations-Lobbygewixe. Dass ich solche Aufträge nicht annehme, ist klar. Ich arbeite zwar interdisziplinär, aber sortenrein. Deshalb: Nein, bei mir beißt sich da gar nichts, im Gegenteil, es befruchtet sich sogar gegenseitig.

Werbetext ist keine Kunstform, sondern ein Handwerk

Wie das mit handwerklichen Fähigkeiten so ist – man braucht eine Weile, um sie zu erlernen und anwenden zu können. Werbetext bedeutet, sich seiner sprachlichen Fähigkeiten so sicher zu sein, dass kein Nachdenken über Rechtschreibung, Satzbau oder Duktus mehr erforderlich ist. Sondern ein Briefing direkt umgesetzt werden kann, auf Zuruf, nach Zeichenvorgabe und fast immer unter *räusper* sportlichem Zeitdruck. Und bis man soweit ist, dauert’s.

Ja, es gibt es Copywriting-Kurse, die versprechen, aus ambitionierten Laien in kürzester Zeit professionelle Texter zu machen. Kann funktionieren. Es soll auch Menschen geben, die noch nie länger als eine halbe Stunde zu Fuß gegangen sind, sich eines Tages edle Profi-Laufschuhe kaufen und damit direkt am Stadtmarathon teilnehmen. Es kann aber klug sein, Defi und Sauerstoff bereitzustellen. Beziehungsweise einen Texter zu engagieren, der gut im Training ist und schon ein paar Bücher, Website-Texte und Essays geschrieben hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass diesem auch bei Broschüren oder einem Newsletter die semantische Punktlandung gelingt, ist hoch. Warum?

Nur wer verschiedene Textgattungen aus Erfahrung kennt, weiß um die spezifischen Eigenheiten. Zum Beispiel was einen Digitaltext von Gedrucktem unterscheidet. Oder warum ein Sprachtext anders aufgebaut und formuliert werden muss als ein Website-Text, der nur still gelesen wird. Dies gilt es zu berücksichtigen und dabei gleichzeitig im Blick zu behalten, dass alle Gattungen und Formate aus demselben Denkwerkstoff bestehen – Geschichten.

Jedes Textprodukt, ob Dreizeiler, dreißig Seiten, Microsite oder einstündiger Vortrag, sie alle erzählen Geschichten. Die unbedingte Formattreue bei gleichzeitiger Deklinationsfähigkeit des Storytelling sprachlich sauber umsetzen zu können (Luftholen und nochmal lesen, ich weiß, das war grade arg komprimiert), ist etwas, das nur erfahrene Texter beherrschen. Hihi, Stichwort beherrschen. Da fällt mir ein weiteres Thema ein, das im Kollegengespräch regelmäßig diskutiert wird …

Texter im Greta-Garbo-Modus

Korrekturrunden sind bei Auftragstext so obligatorisch wie die kleinen roten Chillies im Vindalho Curry. Lecker. Manchmal brennen sie auch in etwa so. Dafür gibt’s viele Gründe. Nicht immer werden Korrekturwünsche diplomatisch und höflich formuliert. Da schreibt ein Kunde schon mal »find ich doof« neben den Headlinevorschlag. Andere editieren gleich im Dokument und versuchen sich selbst als Texter. Mancher Auftraggeber bevorzugt eine spezielle hausinterne Rechtschreibung, die mit dem Duden nichts zu tun hat. Die schreiben dann alles klein. Oder ALLES groß. Mancher spricht seine Leser mal per Sie, mal per Du an und lässt sich zu keiner Entscheidung überreden. Wieder andere brauchen in jedem zweiten Satz einen Gedankenstrich. Oder ein Ausrufezeichen. Völlig egal – ob diese – dorthin!! gehören sollen  passen müssen aaarghwtf.

In diesen Situationen gilt: locker bleiben. Ein Nur-Werbetexter reagiert schon mal verschnupft und verfällt in Weltschmerz, wenn seine kostbare Kreation zerpflückt wird. Während ein Texter, der sich in fast allen denkbaren literarischen Gattungen austobt, Kundenkorrekturen niemals persönlich nimmt. Das hat nichts mit Abgeklärtheit zu tun, sondern gehört ganz simpel zum Handwerk, wenn man das Format Werbetext bedienen möchte. Man muss sich natürlich nicht alles bieten lassen. Ein Auftraggeber, der sich einbildet, mit der Honorarzahlung auch das Recht auf herabwürdigende Anwürfe oder gar übergriffige Anzüglichkeiten erworben zu haben, kriegt von mir ein Brett, das er nie mehr vergisst. Auch Abgrenzung gehört zum Handwerk.

Hier zeigt sich die unterschiedliche formatimmanente Dynamik. Ein Werbetexter wird nun mal nicht als künstlerische Lichtgestalt engagiert, sondern als professioneller Dienstleister. Er schreibt Konzepte und Texte, die funktionieren sollen, keine Lyrikpreise gewinnen. Und wenn der Kunde zehnmal seine Meinung ändert oder bestimmte sperrige Wörter partout in der Headline haben will, so what? Wenn ich als Texter gut bin, kann ich das ganz geschmeidig umsetzen. Oder konstruktive Alternativ-Vorschläge machen. Wer aber zickt wie eine Filmdiva und Kundenkorrekturen als Angriff empfindet, sollte sich dringend andere Spielwiesen für seine zarte Schriftstellerseele suchen, sonst wird er auf Dauer nicht glücklich.

Es gibt allerdings Situationen, in denen der Greta-Garbo-Modus angemessen ist. Bei Bedarf lege ich auch eine Portion Terminator oben drauf. Dann nämlich, wenn ich ein Belletristik-oder Lyrik-Projekt anbiete und ein Verlagslektor oder Programmleiter es wagt, darin ungefragt rumzubasteln. Da mache ich dann keine Gefangenen. Rechtschreibfehler und andere objektive Mängel bitte gerne korrigieren, vom Rest die Flossen lassen. Weil es sich bei Belletristik, Lyrik oder Kurzgeschichten eben nicht um eine gemeinsame Arbeit im Unterhaltungs-Ressort handelt, oder um funktionalen Gebrauchstext, bei dem der Kunde das letzte Wort hat. Sondern um ein in sich geschlossenes, originäres Kunstprodukt, bei dem niemand außer dem Urheber die Autorenhoheit genießt. Ich geh ja auch nicht in eine Galerie und bau die Exponate anderer Leute um, weil ich meine, das besser zu können …

Warum Werbetext ehrlicher ist als Journalismus

Ja, die Headline benutzt billige Holzhammer-Rhetorik. Tschuldigung. Passt grade so gut. Denn ebenjene Technik ist aktuell öfter Gesprächthema unter uns Schreibern. Im Moment werden wir durch Nachrichtenmagazine damit zugeballert, dass es einen nur noch graust. Die meisten registrieren es nicht einmal! Weil das Geschreibsel aussieht und klingt wie Journalismus und so tut, als sei es seriös. Pfui bah. Werbetext hingegen enthält das, was außen draufsteht: Werbung. Sie ist wie eine Duisburger Hafennutte. Ehrlich, direkt, auf den ersten Blick erkennbar. Der Magazin-Journalismus kommt mit hochgeschlossenem Heiteitei daher und schleicht sich gut getarnt in die Wahrnehmung der Leser. Dass sich der zahlende Abonnent in Wahrheit eine abgefuckte Hure ins Haus bzw. aufs iPad geholt hat, merkt er, wenn überhaupt, zu spät.

Beispiel. Wenn ich für einen Automotive-Kunden ein Advertorial schreibe, das dann bei GMX oder Web.de erscheint, ist klar erkennbar, dass es sich um Werbung handelt. Kein Mensch käme auf die Idee, dieses Format als »objektiven Journalismus« einzuordnen. Wozu auch? Das Advertorial ist eine lesefreundliche, redaktionelle Darreichungsform von themenspezifischen Informationen zu Werbezwecken. Diese Informationen sind allerdings wahr und nachprüfbar. Müssen sie auch, sonst gibt’s Ärger mit der Rechtsabteilung.

Bei vielen »Dokumentationen« oder »Nachrichten« sieht man das nicht so eng. Hier ist für den Leser kaum noch erkennbar, ob es sich um Werbung, Propaganda, Manipulationstechnik oder echte Informationen handelt. Sprache, Rüberkomme, Satzbau, Chronologie, alles täuschend echt im Journalisten-Duktus abgefasst. Aber statt der Verpflichtung zur Wahrheit führt leider oft die eiserne Faust von Lobby- und Politpartnern den Leser durch das Geschriebene. So passiert es zum Beispiel, dass ein reißerischer Bericht über Textilproduktion in Bangladesh weniger echte Fakten enthält als die Website eines Modelabels …

Ja, so viel zu Textmutanten im Alltag. Es gibt noch mehr. Kleiner Szenenwechsel gefällig?

Und dann heißen wieder alle Charlotte, Paul, Lisa und Max

Jeder passionierte Autor verfügt über eine Schublade mit unveröffentlichten Manuskripten. Darin befindet sich das richtig geile Zeug. In meinem Fall unvollendete Lyrik, Performance-Texte, experimentelle Kurzromane, politisch unkorrekte Essay-Entwürfe, halbfertige Kurzgeschichten. Die »Ich schreibe, also bin ich«-Produktivität existiert ja nicht in Abhängigkeit von Aufträgen, sondern immer. Ständig. Da kommt über die Jahre einiges zusammen.

Ab und an verkaufe ich eines dieser Projekte, sehe es in den Buchläden und bekomme, hurra! eine Auszeichnung dafür. Mmmmh, Preise. Balsam fürs Autorenherz. In einer Parallelwelt ließe sich damit sogar die Miete bezahlen. Bei uns aber nicht. Plöt. Also warum nicht einfach mal den Spaß am literarischen Schreiben mit den Umsatzmöglichkeiten des Auftragstextens verbinden und Bücher nach Formatvorlage verfassen? Gebrauchsliteratur ohne Anspruch, dafür mit garantiertem Gewinn?

(Wenn Sie jetzt grinsen, sind Sie entweder ein Autorenkollege, der das auch schon probiert hat, oder ein erfahrener Verleger und wissen bereits, worum es gleich geht.)

Flugs den Stier bei den Hörnern gepackt, Bestsellerlisten studiert und sich mit den verantwortlichen Verlagsmenschen zum Projektanbahnungs-Kaffee verabredet. Ich kann’s, ich schreibe Romane nach Briefing, ich bin zwei Öltanks, nimm mich. Oder so.

Ja, auf diese Idee kann man kommen. Dass es eine bescheuerte Idee ist, wusste ich bis vor ein paar Jahren noch nicht. Über die Erfahrung bin ich dennoch froh, denn sie bescherte mir Einblicke in den aktuellen »Literaturbetrieb«, die ich andernfalls nie erhalten hätte. Sagte ich Literaturbetrieb? Nennen wir es lieber »Sickergrube der Buchlandschaft.«

Nehmen wir als Beispiel die handelsübliche »turbulent-witzige Großstadtkomödie«, gerne garniert mit dem Hinweis »nach einer wahren Begebenheit.« Mit der *würg* »taffen« und *röchel* »ein bisschen verrückten« Protagonistin namens sagenwirmal, Charlotte. Diese kennt zwei Männer namens Paul und Max plus eine weibliche Hauptfigur namens Lisa. Lisa hat einen feschen Kurzhaarschnitt, arbeitet im Zoo oder als A&R-Managerin und ist gaaaaaanz dufte unkompliziert, hat aber ein dunkles Geheimnis. Hui. Wahlweise heißen auch die beiden Quotenkinderschablonen Lisa und Max. Heißt eins der Kinder Paula, darf der erwachsene Kerl natürlich nicht Paul heißen, sondern Tom. Tom ist ein Synonym für Obertopchecker und nicht so sensibel wie Paul. Dafür darf die andere weibliche Figur statt Lisa einen afrikanischen, indischen oder türkischen Namen tragen, kompliziert sein, sehr lange Haare und ein Problem haben. Senioren sollten, wenn überhaupt, nur am Rande vorkommen. Wie im *hust* richtigen Leben halt. Was keinesfalls fehlen darf: ein Migrationskonflikt, ein älterer verheirateter Lover, dessen eindimensional-zickige Frau, außerdem der schwule beste Freund, der asexuelle Nerd/Kumpeltyp, der an seiner heimlichen Liebe zur Protagonistin leidet, das Zerrissenfühlen der Schablonenheldin zwischen mehreren Männern, eine unerwartet brutale Gewaltszene, Frauengespräche über Sex und ein Missverständnis-Minidrama kurz vor dem Happy-End… chrrrrrrrr… chrrr… Verzeihung, war kurz eingeschlafen.

Im Vergleich dazu ist Bannerwerbung für Tiefkühlspinat hochwertige Weltliteratur.

Anekdotenalarm. Die Lektorin eines großen deutschsprachigen Buchverlags, mit der ich vor Jahren mal an so einem Projekt arbeitete, überreichte mir einige ältere Bücher ihres Ressorts, an denen ich mich orientieren sollte. Auf allen stand, dass die Geschichten non fiction seien, also auf wahren Begebenheiten beruhen. Ahem. Nun denn. Beim ersten Durchblättern fiel mir eine Szene auf, die in Wort und Plot 1:1 in der ersten Staffel Sex & The City vorkommt. (Erwähnte ich schon, dass ich ein präzises Wortgedächtnis habe und einmal gehörte Dialoge nie mehr vergesse?) Im übernächsten Kapitel fand sich ein weiterer Dialog, den ich ebenfalls aus einer TV-Serie der 00er Jahre kannte. Wie denn nun – wahre Begebenheiten oder was?

Die Lektorin wischte meine Frage weg. Wichtig sei nur, dass es ein bis zwei vorzeigbare Personen gäbe, die man als Hauptfiguren präsentieren und mal in eine Talkshow einbuchen kann. Ansonsten könne ich die Bausteine nach Gutdünken mixen, um das Format zu bestücken. »Bestücken«, damit ist die Schablone gemeint, nach der solche Bücher am Fließband betextet, verlegt, in Bestsellerlisten gefeatured und wieder vergessen werden. Die vornehmlich weiblichen Autoren (gelegentlich auch Verlagsmitarbeiterinnen) agieren als seelenlose Schreibmaschinen. Und das Schlimmste: Es gibt ein Publikum für den Schrott. Die halten das tatsächlich für Literatur.

Um die Perversion auf die Spitze zu treiben, unterhalten diese Verlage inzwischen hauseigene »Schreibschulen«, um Autoren systematisch auf das geistlose Format einzunorden und jeden Funken Inspiration, kreative Entwicklung oder gar, huch! schriftstellerische Qualität bereits im Ansatz auszumerzen. Ziemlich trostlos das Ganze. Und für mich keine Option. Denn hier werden Dinge vermischt, die keinesfalls vermischt werden sollten.

Denken Sie an Margarine. Physikalisch eine Unmöglichkeit. Es braucht Emulgatoren und viel Druck, um die unverträglichen Komponenten zu einer halbwegs streichfähigen Masse zu formen. Ich mag keine Margarine. Dennoch möchte ich die Margarinejobs niemandem madig machen. Wer Spaß daran hat, nur zu. Deals gibt’s in dem Segment auf jeden Fall zu machen. Schätzings Beinahe-Scifi-Romane sind gute Beispiele dafür, wie man in einfachster Werbetext-Sprache und strunzlinearer Erzähltechnik ein Literaturgenre bespielen und das Produkt exzellent vermarkten kann. Die gänzlich fehlende Fabulierfinesse und die konstruierten Plots sind keine Mängel, sondern gehören zum Konzept. Alles richtig gemacht. Meins wär’s nicht, ich mag sowas schon nicht lesen, geschweige denn, schreiben müssen. So ein flaches Ding rauszuhauen wäre für mich auch bei sechsstelligem Vorschuss keine Option. Aber da ist jeder anders.

Was meine Arbeit angeht, so hoffe ich, heute einige Fragen beantwortet zu haben rund um das, was ich mache – und was nicht. Danke an die lieben Fragesteller für die Inspiration!

Text: Kathrin Elfman © 2014

Foto: Klaus P. Rausch

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2 Antworten auf „Ich schreibe, also bin ich: Die süße Lust am Gebrauchstext

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  1. Hat dies auf Julia etc. rebloggt und kommentierte:
    Ihr habt ja nun schon ein paar Male von mir gelesen, wie genial ich Kathrins Roman „Lepleja“ finde. Mein einziger Kritikpunkt an dem fantastischen Buch ist, dass es keine 2000-5000 Seiten hat. Nun dosiere ich schon dezent, damit das wunderbare Leseerlebnis dauert, nur noch 100 Seiten übrig *schwitz-zitter*. Doch wie geht es eigentlich der Aurorin in Ihrem Schreibstübchen? Lies mal 🙂

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